Fremdenbuch des Thalhofes in Reichenau
ObjektnameGästebuch
Artefakte von
Hotel Thalhof / Waissnix Reichenau an der Rax
Datierung1830-1887
Material/TechnikPapierhandschrift, Format folio, Halblederband, 104 Blätter, davon 74 mit handschriftlichen Eintragungen, 44 unbeschriebene Blätter, restauriert
Maße40 x 26 x 4,2 cm
InventarnummerLK202
ProvenienzReichenau an der Rax
Beschreibung
Das alte Fremdenbuch ist ein kulturhistorisches Dokument ersten Ranges. Die erste Eintragung erfolgte am 17. 8. 1830, die letzte am 15. 9. 1848, wobei die Eintragungen ab 1842 nur mehr sporadisch vorgenommen wurden. Einzelne Aufschreibungen stammen dann noch aus 1850, 1853, 1856 und 1887. Auf den Seiten des Buches spiegelt sich in den Gedichten, Aphorismen und Zeichnungen die Zeit des Biedermeier und des Vormärz wider.
Als der aus einer einheimischen Familie stammende Müllerssohn Ignaz Waissnix (1789 - 1860) 1810 Anna Polleres heiratete, die den bereits 1652 erstmals erwähnten Thalhof bei Reichenau als Mitgift erhielt, begann ein steiler Aufstieg des Bauernhofes, der 1823 auch das Tavernenrecht und damit die Erlaubnis zur Beherbergung seiner Gäste erhielt. Waissnix verfügte vor allem durch seine Aktivitäten als Lohnfuhrwerker über zahlreiche Kontakte in Wien und hat offenbar das Interesse seiner Kunden systematisch auch auf das idyllische Tal am Fuße von Gahns und Feuchter gelenkt, das so sehr dem damals erwachenden romantischen Naturgefühl entsprach. Da Waissnix selbst einige seiner Gäste bei ihren Wanderungen auf Rax und Schneeberg führte und offenbar auch die Unterkunft, Verköstigung und Bedienung mit ihrer Mischung aus Gemütlichkeit und Komfort dem Geschmack der Städter entsprachen, galt der äußerst „patriarchalisch“ geführte Thalhof bald als eines der besten Gasthäuser der Monarchie.
Spätestens am 17. August 1830 legte Waissnix vermutlich als erster Gastwirt überhaupt – aus Niederösterreich ist unter den zahlreichen Fremden- und Hüttenbüchern jedenfalls kein älteres bekannt – ein Buch auf, in dem sich die Gäste verewigen konnten, damit nach dem ausdrücklichen Wunsch des Hausherrn „der Freund den Freund hier finde“. Dieses „Fremdenbuch“ ist somit der Tradition der Stammbücher und im weitesten Sinne dem Freundschaftskult zuzuordnen, gibt aber auch dem damals nicht nur von dem Eigenbrötler Kyselak verspürten Wunsche Raum, die Anwesenheit im Thalhof und allfällige „Gipfelsiege“ schriftlich für alle Zeiten festzuhalten. Freilich wuchsen dem „Gästebuch“ bald auch andere Funktionen zu: Der geschäftstüchtige „Herr Vater“ konnte auf die illustren Gäste verweisen und so den Ruf seines Hauses ständig mehren, und die „Fremden“ wetteiferten ihrerseits, indem sie sich durch Erfindungsreichtum und Zurschaustellung ihrer Sprachkenntnisse zu überbieten suchten: Deshalb fanden sich hier neben zahlreichen Eintragungen in den verschiedensten Fremdsprachen und Schriften wie Cyrillisch, Griechisch, Hebräisch und Arabisch, die die Bildung der Besucher hervorstrichen, auch Aphorismen, eben komponierte Lieder, Zeichnungen, Parodien und Gedichte.
Unter den oft mehrfach gekommenen Gästen aus dem „allerhöchsten Kaiserhause“ und dem Adel sowie aus Diplomatie, Politik, Militär, Hochfinanz, Bürokratie, Wirtschaft, Bergbau, Medizin, Gesellschaft, Theater, Kunst, Musik, Literatur, Wissenschaft und Technik sowie unter den Wallfahrern und Liebespaaren, die durch ihre Einträge auch in ihrer Persönlichkeit und Stimmungslage faßbar werden, ragen hervor: Graf Batthyany, Bauernfeld, Domayer, Graf Erdödy, Gräfin Esterhazy, Prof. Ettingshausen, Graf Fries, Gerold, Gersdorff, Baron Geymüller, Prof. Hellmesberger, Jacquin, Dr. Ludwig Köchel, Kübeck, Kuffner, Kurländer, Nuntius L’Altieri, Lenau, Fürstinnen Liechtenstein, Mitis, Baron Münch (Friedrich Halm), Partsch, Pereira-Arenstein, Raimund, Schöller, Schönerer, Bundestagsgesandter Sievekind, Somaruga, Tempsky, Trattner, Weidmann, Werner, Wertheimer, Wilczek sowie die Maler Mansfeld, Reinhold und Steinfeld. Sie machten ihre „Landpartien“ zu Fuß oder in Reisewagen, ab 1842 konnten sie ihre Anreise bis Gloggnitz durch die Südbahn verkürzen.
Nach dem Jahr 1846 finden sich nur mehr wenige Einträge, die hier gezeigte duftige Bleistiftzeichnung vom 24. September 1887 ist übrigens einer Skizze von Rudolf Alt vom 19. September 1846 nachempfunden. Sie stammt somit aus der „zweiten Blüte“ des Thalhofes, als hier unter völlig veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen Peter Altenberg und Arthur Schnitzler Olga Waissnix umschwärmten.
Alois Waissnix, der „Herr Vater“, hat seine patriarchalische Art schon auf der ersten Seite verewigt, als er das Motto vorgab: „An die Wanderer. / Lasst hier eures Namens Zeichen, / Kommt der Freund, kann’s ihn erreichen.“ Nicht viel später fügte eine andere Hand hinzu: „Es wird ersucht: / weder etwas Unanständiges / noch Anlass zum Ärger gebendes / in dieses Buch zu schreiben.“
Bemerkenswert ist, daß die Einträge nicht nur oft dichterisch gehalten sind, sondern sogar oft in Englisch, Französisch oder Latein, selbst wenn sie von einem Österreicher aus der Familie des Barons Kübeck stammen. Adeligen
Man findet Mitglieder des „allerhöchsten Kaiserhauses“ und des Adels sowie Vertreter von Diplomatie, Politik, Militär, Hochfinanz, Bürokratie, Wirtschaft, Medizin, Gesellschaft, Theater, Kunst, Musik, Literatur, Wissenschaft und Technik. Einzelne Einträge in hebräischer, arabischer und cyrillischer Schrift geben eine Vorstellung von der Zusammensetzung mancher illustrer Gesellschaft. Manche Eintragungen geben fast einen plastischen Einblick in das biedermeierliche Treiben auf dem Thalhof: So soll Gustav Pick hier das später unter anderem durch Paul Hörbiger so berühmt gewordene Fiakerlied komponiert und gleich in das Fremdenbuch eingetragen haben; leider ist gerade dieser Eintrag verloren gegangen. Erhalten geblieben ist aber neben vielen anderen Zeichnungen wie einer des Landschaftsmalers Reinhold zum Glück die hier gezeigte duftige Bleistiftzeichnung eines Künstlers mit den Initialen „J. (v.) M.“, die er bei einem Besuch im Thalhof am 24. September 1887 nach einer (übrigens auch im neuesten Werkverzeichnis von Rudolf von Alt nicht angeführten) Skizze des berühmten Aquarellisten vom 19. September 1846 angefertigt hat. Am Tag darauf machte er den letzten Eintrag, der lautet: „Postscriptum zum alten Fremdenbuch des Thalhofes. Wer durchblättert dieß Buch, muß – denk‘ ich – Eines bemängeln: /Irrig ein „Fremdenbuch“ ward es bis heute genannt; / fuehlte doch Keiner sich fremd, der einst seinen Namen hier einschrieb, / Wenn im Thalhofe fiend stets er ein trauliches Heim.“
Dies zeigt, daß so mancher sich hier schon vor Arthur Schnitzler wohl gefühlt hat.
Alois Waissnix hält nun zu bleibendem Andenken an seinen Herrn Vater, die Frau Mutter und deren Besucher das alte Fremdenbuch, nachdem Raimund’s sinniges Gedicht herausgeschnitten worden, als theueres Erbe wohl verwahrt. Er hatte den Hof, bei dem neben dem alten Stammhaus längst ein Neubau entstanden war, an seinen Sohn Carl übergeben.
Als der aus einer einheimischen Familie stammende Müllerssohn Ignaz Waissnix (1789 - 1860) 1810 Anna Polleres heiratete, die den bereits 1652 erstmals erwähnten Thalhof bei Reichenau als Mitgift erhielt, begann ein steiler Aufstieg des Bauernhofes, der 1823 auch das Tavernenrecht und damit die Erlaubnis zur Beherbergung seiner Gäste erhielt. Waissnix verfügte vor allem durch seine Aktivitäten als Lohnfuhrwerker über zahlreiche Kontakte in Wien und hat offenbar das Interesse seiner Kunden systematisch auch auf das idyllische Tal am Fuße von Gahns und Feuchter gelenkt, das so sehr dem damals erwachenden romantischen Naturgefühl entsprach. Da Waissnix selbst einige seiner Gäste bei ihren Wanderungen auf Rax und Schneeberg führte und offenbar auch die Unterkunft, Verköstigung und Bedienung mit ihrer Mischung aus Gemütlichkeit und Komfort dem Geschmack der Städter entsprachen, galt der äußerst „patriarchalisch“ geführte Thalhof bald als eines der besten Gasthäuser der Monarchie.
Spätestens am 17. August 1830 legte Waissnix vermutlich als erster Gastwirt überhaupt – aus Niederösterreich ist unter den zahlreichen Fremden- und Hüttenbüchern jedenfalls kein älteres bekannt – ein Buch auf, in dem sich die Gäste verewigen konnten, damit nach dem ausdrücklichen Wunsch des Hausherrn „der Freund den Freund hier finde“. Dieses „Fremdenbuch“ ist somit der Tradition der Stammbücher und im weitesten Sinne dem Freundschaftskult zuzuordnen, gibt aber auch dem damals nicht nur von dem Eigenbrötler Kyselak verspürten Wunsche Raum, die Anwesenheit im Thalhof und allfällige „Gipfelsiege“ schriftlich für alle Zeiten festzuhalten. Freilich wuchsen dem „Gästebuch“ bald auch andere Funktionen zu: Der geschäftstüchtige „Herr Vater“ konnte auf die illustren Gäste verweisen und so den Ruf seines Hauses ständig mehren, und die „Fremden“ wetteiferten ihrerseits, indem sie sich durch Erfindungsreichtum und Zurschaustellung ihrer Sprachkenntnisse zu überbieten suchten: Deshalb fanden sich hier neben zahlreichen Eintragungen in den verschiedensten Fremdsprachen und Schriften wie Cyrillisch, Griechisch, Hebräisch und Arabisch, die die Bildung der Besucher hervorstrichen, auch Aphorismen, eben komponierte Lieder, Zeichnungen, Parodien und Gedichte.
Unter den oft mehrfach gekommenen Gästen aus dem „allerhöchsten Kaiserhause“ und dem Adel sowie aus Diplomatie, Politik, Militär, Hochfinanz, Bürokratie, Wirtschaft, Bergbau, Medizin, Gesellschaft, Theater, Kunst, Musik, Literatur, Wissenschaft und Technik sowie unter den Wallfahrern und Liebespaaren, die durch ihre Einträge auch in ihrer Persönlichkeit und Stimmungslage faßbar werden, ragen hervor: Graf Batthyany, Bauernfeld, Domayer, Graf Erdödy, Gräfin Esterhazy, Prof. Ettingshausen, Graf Fries, Gerold, Gersdorff, Baron Geymüller, Prof. Hellmesberger, Jacquin, Dr. Ludwig Köchel, Kübeck, Kuffner, Kurländer, Nuntius L’Altieri, Lenau, Fürstinnen Liechtenstein, Mitis, Baron Münch (Friedrich Halm), Partsch, Pereira-Arenstein, Raimund, Schöller, Schönerer, Bundestagsgesandter Sievekind, Somaruga, Tempsky, Trattner, Weidmann, Werner, Wertheimer, Wilczek sowie die Maler Mansfeld, Reinhold und Steinfeld. Sie machten ihre „Landpartien“ zu Fuß oder in Reisewagen, ab 1842 konnten sie ihre Anreise bis Gloggnitz durch die Südbahn verkürzen.
Nach dem Jahr 1846 finden sich nur mehr wenige Einträge, die hier gezeigte duftige Bleistiftzeichnung vom 24. September 1887 ist übrigens einer Skizze von Rudolf Alt vom 19. September 1846 nachempfunden. Sie stammt somit aus der „zweiten Blüte“ des Thalhofes, als hier unter völlig veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen Peter Altenberg und Arthur Schnitzler Olga Waissnix umschwärmten.
Alois Waissnix, der „Herr Vater“, hat seine patriarchalische Art schon auf der ersten Seite verewigt, als er das Motto vorgab: „An die Wanderer. / Lasst hier eures Namens Zeichen, / Kommt der Freund, kann’s ihn erreichen.“ Nicht viel später fügte eine andere Hand hinzu: „Es wird ersucht: / weder etwas Unanständiges / noch Anlass zum Ärger gebendes / in dieses Buch zu schreiben.“
Bemerkenswert ist, daß die Einträge nicht nur oft dichterisch gehalten sind, sondern sogar oft in Englisch, Französisch oder Latein, selbst wenn sie von einem Österreicher aus der Familie des Barons Kübeck stammen. Adeligen
Man findet Mitglieder des „allerhöchsten Kaiserhauses“ und des Adels sowie Vertreter von Diplomatie, Politik, Militär, Hochfinanz, Bürokratie, Wirtschaft, Medizin, Gesellschaft, Theater, Kunst, Musik, Literatur, Wissenschaft und Technik. Einzelne Einträge in hebräischer, arabischer und cyrillischer Schrift geben eine Vorstellung von der Zusammensetzung mancher illustrer Gesellschaft. Manche Eintragungen geben fast einen plastischen Einblick in das biedermeierliche Treiben auf dem Thalhof: So soll Gustav Pick hier das später unter anderem durch Paul Hörbiger so berühmt gewordene Fiakerlied komponiert und gleich in das Fremdenbuch eingetragen haben; leider ist gerade dieser Eintrag verloren gegangen. Erhalten geblieben ist aber neben vielen anderen Zeichnungen wie einer des Landschaftsmalers Reinhold zum Glück die hier gezeigte duftige Bleistiftzeichnung eines Künstlers mit den Initialen „J. (v.) M.“, die er bei einem Besuch im Thalhof am 24. September 1887 nach einer (übrigens auch im neuesten Werkverzeichnis von Rudolf von Alt nicht angeführten) Skizze des berühmten Aquarellisten vom 19. September 1846 angefertigt hat. Am Tag darauf machte er den letzten Eintrag, der lautet: „Postscriptum zum alten Fremdenbuch des Thalhofes. Wer durchblättert dieß Buch, muß – denk‘ ich – Eines bemängeln: /Irrig ein „Fremdenbuch“ ward es bis heute genannt; / fuehlte doch Keiner sich fremd, der einst seinen Namen hier einschrieb, / Wenn im Thalhofe fiend stets er ein trauliches Heim.“
Dies zeigt, daß so mancher sich hier schon vor Arthur Schnitzler wohl gefühlt hat.
Alois Waissnix hält nun zu bleibendem Andenken an seinen Herrn Vater, die Frau Mutter und deren Besucher das alte Fremdenbuch, nachdem Raimund’s sinniges Gedicht herausgeschnitten worden, als theueres Erbe wohl verwahrt. Er hatte den Hof, bei dem neben dem alten Stammhaus längst ein Neubau entstanden war, an seinen Sohn Carl übergeben.
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Objektname: Diktat
LK2489/41
19. Jänner 1928
- Johann Loschek, Saaltürhüter von Kronprinz Rudolf
- Kronprinz Rudolf
Objektname: Graphik
LK134
um 1885
- Hotel Thalhof / Waissnix Reichenau an der Rax
- Johaim Michael Waissnix