Zweifache Farbflutung

Anfänglich einem figurativen Realismus verpflichtet, hat sich das künstlerische Interesse Peter Neuwirths seit Mitte der 1990er-Jahre hin zu einer zunehmend gestisch-abstrakten Malerei verlagert, gepaart mit einer großen Faszination für die materiellen Qualitäten des Mediums. So sammelt er kostbare, seltene Pigmente, die ihm – mit Acrylbinder versetzt – den Rohstoff für wahre Farbexzesse liefern. Jedoch geht dies keineswegs mit intensiver Leuchtkraft einher, sondern findet vielmehr in einer schlammartigen Masse Niederschlag. Diese „Farbflutungen“, wie der Künstler sie nennt, entstehen am Boden liegend auf quadratischen oder trapezförmigen Leinwänden, die mehrmals mit Farbe übergossen und mit verschiedenen, teils selbstgebauten Malwerkzeugen überarbeitet werden, sodass sich die einzelnen Farbschichten direkt auf der Leinwand vermischen und die gestischen Spuren des malerischen Prozesses deutlich sichtbar bleiben. Entscheidend ist, dass die über die Leinwand hinwegfließende Farbe mittels einer rückseitig angebrachten, der Stabilität dienenden Aluminiumplatte jeweils zu einem integrativen Bestandteil des fertigen Bildes wird und ihm einen signifikanten objekthaften Charakter verleiht. Neuwirth selbst spricht demzufolge auch von „skulpturaler Malerei“, die mit ihren Farbschlieren und -seen Assoziationen an fließende und ob ihrer Dunkelheit unergründlich tiefe Gewässer weckt, die ihren angestammten Uferverlauf verlassen haben. Das Transitorische, das dabei mitschwingt, steht nicht zuletzt für den Zyklus der Natur, den ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehens.
Alexandra Schantl