Corps en morceaux: Le mort musicien

Daniel Spoerri schrieb bereits 1960 Kunstgeschichte, als er die Gruppe Nouveau Réalisme mitgegründete und sein erstes „Fallenbild“ schuf. Die Idee, sämtliche nach einem Essen auf einem Tisch befindlichen Objekte an Ort und Stelle zu fixieren und die Tischplatte sodann im Stile eines Tafelbildes an der Wand zu präsentieren, wurde vom Künstler fortan konsequent weitergedacht. So entstand etwa durch die zufällige Aufnahme eines Gesprächs ein „Fallenstück“, im Amsterdamer Stedelijk Museum wurde in der Ausstellung Dylaby: Dynamisch Labyrinth 1962 ein ganzer Raum „umgekippt“ und bei den „Wortfallen“ materialisieren sich Redewendungen in Assemblagen (1). Mit der Werkgruppe der Corps en morceaux scheint der Künstler wiederum an seine Ballettausbildung anzuknüpfen, erinnern die „Körper in Teilen“ doch an aus verschiedensten Requisiten zusammengesetzte Bühnenfiguren. Bazon Brock sieht in Spoerris Arbeiten wiederum einen Anstoß dafür, verschiedene Kapitel der Kunstgeschichte neu zu lesen. Während die Fallenbilder einen Bezug zur Trompe-l’Œil-Malerei erlauben, steht bei den Corps-en-morceau-Arbeiten eine Reflexion der Geschichte von Kunst- und Wunderkammern im Vordergrund, wobei Spoerri diese Sammlungspraxis keineswegs „zitiert“: „Die Kunst- und Wunderkammern begründen und erhöhen nicht mit ihren Objekten und Ordnungsgesichtspunkten die Arbeiten Spoerris (so, als setzte er eine Tradition fort – dann müßten allerdings dem Spoerri Zweifel an seiner Effizienz kommen); sondern, von Spoerris Vorgehen her wird eine neue Tradition der Aneignung von Welt begründet, für die Kunst- und Wunderkammern ein Beispiel geworden sind.“ (2)
Nikolaus Kratzer

(1) Daniel Spoerri, „Die Entwicklung des Fallenbildes“, in: Daniel Spoerri. Retrospektive, Ausst.-Kat. Galerie Krinzinger, Innsbruck, Modern Art Galerie, Wien, Innsbruck 1981, o. P.
(2) Bazon Brock, „Daniel Spoerri als Kulturheros. Überarbeitete Rede zur Eröffnung der Spoerri-Retrospektive in der Galerie Krinzinger, Innsbruck, 20. März 1981“, in: ebd.