Stimme erheben

Der malerische Kosmos Veronika Dirnhofers ist unerschöpflich. Auf weichem, zuweilen illusionistischem Grund setzt die Künstlerin mit expressiver Geste dichte, meist direkt auf der Leinwand komponierte Farbmuster, Striche und Flächen neben leichte, zeichnerisch anmutende Partien. Sie arbeitet gern collagierend, lässt die Bilder wie Ausschnitte eines größeren Ganzen erschienen, das unsichtbar bleibt, aber imaginiert werden kann. Immer wieder entwickeln sich aus der abstrakten Malerei Gestalten und Gesichter oder auch vegetative Formen, Landschaftsskizzen, Schriftzeichen. Nicht ihre physische Erscheinung scheint Dirnhofer dabei von Bedeutung zu sein, sondern vielmehr eine emotionale Präsenz. Die Werke wirken wie Erinnerungsfetzen, Gedankenblitze, intime malerische Notizen. Die Ursprungsidee ist oft anders als das fertige Bild, Dirnhofer tritt vor die weiße Leinwand und lässt geschehen. Ihr gelingt es, den malerischen Akt in der zeitlichen Dimension erfahrbar, den Schaffensprozess durch das Überlagern und Überlappen einzelner Malschichten und -schritte sichtbar zu machen. So auch in ihrer farbintensiven Arbeit Stimme erheben: Auf einer zart lasierten, ruhigen Bildoberfläche baut sich dick aufgetragenes Farbmaterial auf, das ausdrucksstark und expressiv fast in den Raum zu treten scheint. Ins Bild integrierte schriftliche Notizen treten in Dialog zum malerischen Geschehen. „Dirnhofers Bilder sind Denkräume, in denen sie die Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem, von gegenläufigen Gedanken und Überlegungen als Qualität des Bildes erprobt, das es von der narrativen Linearität des Textes unterscheidet“ (1), betont Claudia Voit.

(1) Claudia Voit, Eröffnungsrede zur Ausstellung Veronika Drinhofer. leicht ist es viel so, aber viel ist es nicht so leicht, Galerie Art House, Dornbirn, 15. Mai 2014, Typoskript.