Ohne Titel (CH 06/2007)

Die visuelle Sprache von Christian Hutzinger kann als streng formal beschrieben werden, konstituiert aus einem gleichbleibenden Formenvokabular. In der Sparsamkeit des Ausdrucks, der glatten Bildoberfläche und der Anordnung klar voneinander abgegrenzter Farbflächen erinnert sie an die Hard-Edge-Malerei. Vor einem monochromen schwarzen Hintergrund werden in seinem 2007 entstandenen titellosen Bild scheinbar aufeinandergestapelte kapselartige Formen in unterschiedlichen Farben sichtbar, mittig durch eine hellgraue Farbsäule getrennt. Auf den ersten Blick scheinen sie in einer mehr oder weniger stabilen Konstruktion eingebunden, doch bei genauerem Hinsehen wird klar, dass die einzelnen Formen sich stellenweise nicht einmal berühren, der Eindruck der Stapelung also eine Täuschung ist. In beiden Bildhälften lösen sich einzelne Kapseln aus dem Zusammenhang, fallen scheinbar auf den unteren Bildrand. Die orthogonale Ordnung löst sich auf. Bei den Betrachtenden wird das Sehmuster einer der Schwerkraft folgenden Bewegung ausgelöst – eine zeitliche Abfolge, vielleicht sogar ein Narrativ vorgeschlagen. Spielerisch scheint Hutzinger aus einer zweidimensionalen Fläche einen plastischen Bildraum werden zu lassen, aus der Anonymität des unsichtbaren Pinselduktus wird durch den jahrelangen Einsatz wiederkehrender Formen eine stilistische Signatur. Hutzinger selbst nennt die kapselartigen Formen „Behältnisse“ für Geschichten aus dem Leben, Erinnerungen aus der Kindheit – und verwischt so bei aller formalen Schärfe eine weitere Kontur: jene zwischen Abstraktion und symbolisch-assoziativem Weltbezug.
Susanne Watzenboeck